Trotz Corona : Deutsche Sparer so vermögend wie nie zuvor

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Trotz Corona : Deutsche Sparer so vermögend wie nie zuvor

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    Von Kerstin Papon

Die Krise hat in den Vermögen und im Anlageverhalten tiefe Spuren hinterlassen. Griechen und Italiener haben in Europa am meisten verloren, während die Deutschen vergleichsweise gut wegkamen. Und plötzlich ist wieder Bargeld gefragt.

Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat an den Finanzmärkten auf der ganzen Welt zu heftigen Turbulenzen geführt. Von den ersten plötzlichen und deutlichen Kursverlusten haben sich viele Märkte aber ähnlich schnell und kräftig wieder erholt. Aktienbörsen wie die amerikanischen sind schon wieder in Rekordlaune.Die Corona-Krise hat jedoch in den Finanzvermögen und im Sparverhalten privater Haushalte in Europa deutliche Spuren hinterlassen. Dies ergibt eine Analyse der ING-Bank. Das Vermögen europäischer Anleger ist demnach im ersten Quartal gegenüber Dezember um 3 Prozent oder 771 Milliarden Euro geschrumpft. Mit einem Verlust von 2 Prozent oder 128 Milliarden Euro auf 6,34 Billionen Euro sind dabei Deutsche Sparer vergleichsweise gut weggekommen.Dank der Erholung der Kapitalmärkte und hoher Neuanlagen soll das geschätzte Finanzvermögen der Bundesbürger demnach zum Ende des ersten Halbjahres sogar schon auf einen Rekord von 6,55 Billionen geklettert sein. Mit einem Anstieg um 3,4 Prozent oder 212 Milliarden Euro im zweiten Quartal sei dies der höchste absolute Vermögensanstieg binnen eines Quartals aller Zeiten, heißt es von ING. Für die Analyse wurden Daten der Deutschen Bundesbank, der Deutschen Börse, der Europäischen Zentralbank, des statistischen Bundesamts und von Eurostat durch die Unternehmensberatung Barkow Consulting ausgewertet und das Finanzvermögen auf Basis der Kapitalmarktentwicklung mit Hilfe statistischer Schätzverfahren ermittelt.

Obwohl im ersten Quartal mehr als 165 Milliarden Euro neu in Finanzanlagen geflossen seien – so viel wie seit dem Jahr 2007 nicht mehr in einem Jahresanfangsquartal – habe sich deren Gesamtwert durch die heftigen Kursverluste um besagte 3 Prozent auf 25,1 Billionen Euro reduziert, sagen die Fachleute der ING. Dies sei der mit Abstand höchste Verlust von Finanzvermögen binnen drei Monaten in den vergangenen 20 Jahren. Der zweitgrößte Quartalsverlust sei im ersten Quartal 2001 nach dem Platzen der Internet(„Dotcom“)-Blase mit minus 2,6 Prozent erfolgt. Das stärkste Minus innerhalb der Finanzkrise habe im ersten Quartal 2008 nur 2,3 Prozent betragen.

Es gibt offenbar mehrere Gründe, warum deutsche Anleger im ersten Quartal unterdurchschnittlich betroffen waren. Zum einen sei der Anteil von Bankeinlagen – Bargeld miteingeschlossen – an den Vermögen hierzulande relativ hoch, heißt es von ING: Es verglichen sich hierzulande im Durchschnitt 41 mit 35 Prozent im Euroraum. Ähnlich sei es mit Versicherungen (37 zu 35 Prozent). Beide Bereiche reagierten nicht oder nur in geringem Maße auf Schwankungen des Kapitalmarktes. Dagegen sei der schwankungsfreudige Aktienanteil geringer. Hier verglichen sich in Deutschland durchschnittlich 10 Prozent mit 17 Prozent im Euroraum.

Insgesamt haben demnach Anleger aus 16 der 19 Staaten des Euroraums im ersten Quartal Vermögen verloren. Am stärksten betroffen war Griechenland mit einem Minus von im Durchschnitt 11 Prozent zum Vorquartal – vor allem durch überdurchschnittlich hohe Verluste der Aktienvermögen, gefolgt von Italien (minus 5,1 Prozent) und Belgien (4,4). In dieser Zeit ihr Vermögen gemehrt haben dagegen die Einwohner Litauens (plus 5,5 Prozent), der Niederlande (3,3) und Zyperns (0,5).

Doch selbst im ersten Vierteljahr, also vor der Kurserholung, liegt der Euroraum netto im Vergleich zum gesamten Vorjahr (Summe aus Mittelflüssen und Wertentwicklung) noch immer 1,4 Prozent im Plus. Gleiches gilt für fast alle Einzelländer. Mit Griechenland, Italien, Belgien und Spanien befinden sich nur vier Länder auch im Gesamtjahresvergleich im roten Bereich.

Die Corona-Pandemie hat weitere Folgen. Das Anlageverhalten der Deutschen sei schon in der Vergangenheit maßgeblich von Krisen beeinflusst worden, ergab jüngst eine weitere Analyse der ING. Mit Abstand am deutlichsten zugelegt hat demnach nun das Sparen mit Bargeld, obwohl dessen Bedeutung als Zahlungsmittel abnimmt. Mit einem Rekordvolumen von 20 Milliarden Euro sei mehr als jeder fünfte neue Spar-Euro in den Sparstrumpf geflossen. Das heißt: Mehr als 40 Prozent des zusätzlichen Bargeldumlaufs im ersten Quartal von 49 Milliarden Euro sei bildlich gesprochen „unter dem Kopfkissen der Deutschen“ gelandet, sagt die ING. Mit 15 Prozent des Gesparten oder 14 Milliarden Euro befänden sich Aktienanlagen an zweiter Stelle. Großer Verlierer des ersten Quartals seien Bankeinlagen gewesen, die mit 5 Prozent des Sparvolumens so wenig neues Geld angezogen hätten, wie seit 15 Jahren nicht mehr.Während für vorsichtige Sparer offenbar nur Bargeld sicher genug erschien, hätten chancenorientierte Anleger vermehrt und erfolgreich auf Wertpapiere gesetzt, sagt Thomas Dwornitzak, leitender Anlagefachmann der ING Deutschland. Im ersten Halbjahr habe die Bank einen Boom im Wertpapierhandel verzeichnet. Kunden hätten so viel gehandelt wie nie zuvor. Auch die Anzahl der Depot-Neueröffnungen habe einen Rekordwert erreicht.