Das Finanzsystem gehört in die Schuldenberatung

Das Finanzsystem gehört in die Schuldenberatung

Die jüngsten Turbulenzen an der Wall Street haben viele aufgeschreckt. Das ist gut so, auch wenn die grossen Gefahren nicht von den Aktienbörsen ausgehen. Jürg Müller 13.2.2018, 05:30 Uhr

https://www.nzz.ch/meinung/das-finanzsystem-gehoert-in-die-schuldenberatung-ld.1356720

An den Aktienmärkten ging es schliesslich mit beständiger Langeweile nach oben. Letzte Woche haben dann jedoch zwei Kursstürze an den amerikanischen Börsen der Lethargie ein Ende bereitet. Jetzt sind die Scheinwerfer der öffentlichen Aufmerksamkeit wieder auf das klassische Finanzsystem gerichtet – zu Recht, denn dort ist einiges im Argen. Dabei geht es am Ende weniger um den Aktienmarkt, der nun im Mittelpunkt steht. Im globalen Finanzgefüge sind Aktien ein wenig die wilden Rabauken, die mal nach oben, mal nach unten ausschlagen. Wichtiger für die Realwirtschaft sind am Ende die Kreditmärkte, an denen die Schulden der Welt gehandelt werden. In diesen Märkten spiegelt sich das Grundvertrauen in das System, und dieses Grundvertrauen könnte demnächst geprüft werden. An den Börsen sei es zu Verlusten gekommen, weil Marktteilnehmer steigende Zinsen erwarten. So lautet eine Erklärung der jüngsten Turbulenzen. Gemäss Lehrbuch fallen die Aktienpreise, wenn die Zinsen steigen – und vice versa. Deshalb haben die historisch niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre auch die Aktienkurse derart beflügelt; generell sind die Preise von Realwerten wie Aktien und Immobilien markant gestiegen. Die Korrektur an den Aktienmärkten wäre also zu begrüssen, wenn sie denn tatsächlich eine Normalisierung einläuten würde. Doch das Wort Normalisierung deutet es schon an: Im Finanzsystem ist derzeit vieles nicht so, wie es sein sollte.Während sich eine beispiellose Vermögenspreisinflation bei Aktien und Immobilien ereignete, ist der globale Schuldenberg konstant gewachsen. In den grössten Industrienationen der Welt ist der Verschuldungsgrad – öffentliche und private Verschuldung zusammengenommen – in den vergangenen 30 Jahren von 175% auf rund 275% gestiegen (siehe Grafik). Der Verschuldungsgrad gibt das Total der ausstehenden Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung an. Solche Schuldenstände kannte die Welt zuletzt nur im Nachgang verheerender Kriege.

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Jedoch ist keine Regierung derzeit bereit ihren Bürgern zu erklären, dass Rückführung auf ein Normalmaß jetzt passieren muss und nicht ständig auf die nächsten Generationen verlagert werden soll. Die Kredite haben eine längere Laufzeit wie die Amtszeit einer Regierung. Dann macht man lieber Geschenke die auf Pump finanziert sind, und gerade die Sozialausgaben wachsen stetig.